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Bürgermeister zur förmlichen Rüge eines Gemeinderatsmitglieds nicht befugt
Datum: 04.08.2004
Kurzbeschreibung: (Urteil vom 13.07.2004 - 9 K 1724/02 -) Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat in einem Kommunalverfassungsrechtsstreit festgestellt, dass die vom Bürgermeister gegenüber einem Gemeinderatsmitglied in öffentlicher Sitzung ausgesprochene Rüge wegen der Nichtteilnahme an einer früheren Sitzung rechtwidrig ist.
(9 K 1724/02) Im Wege der Folgenbeseitigung hat der Bürgermeister in der auf die Rechtskraft des Urteils nachfolgenden Gemeinderatssitzung die Rechtswidrigkeit der ausgesprochenen Rüge bekannt zu geben. Da die Rüge über ihre Verlautbarung hinaus keine Rechtswirkung entfaltet, ist er jedoch entgegen der Auffassung des Gemeinderatsmitglieds nicht verpflichtet, diese zurückzunehmen.
Hintergrund des Rechtsstreits, in dem es um die Rechtsstellung des Bürgermeisters als Vorsitzender des Gemeinderats gegenüber der Rechtsposition eines Gemeinderatsmitglieds geht, war das unentschuldigte Fehlen eines Gemeinderats in einer Gemeinderatssitzung, weil dieser zur gleichen Zeit an der Gründungsversammlung einer Bürgerinitiative teilnahm, die sich gegen den Bau von weiteren Windkraftanlagen auf dem Gemeindegebiet wenden wollte. Nachdem sich deswegen verschiedene Gemeinderäte und auch Bürger an den Bürgermeister gewandt hatten, rügte dieser in der folgenden öffentlichen Gemeinderatssitzung das unentschuldigte Fernbleiben des Gemeinderats von der Sitzung und wies weiter auf die Möglichkeiten der Gemeindeordnung hin. Über diesen Vorgang berichtete die örtliche Presse ausführlich. Der gerügte Gemeinderat, der seit vielen Jahren in kommunalen Ehrenämtern tätig ist und nach seinen Angaben bisher nicht unentschuldigt gefehlt hat, fühlte sich durch die Rüge diskriminiert und im öffentlichen Ansehen herabgesetzt. Der Bürgermeister war der Auffassung, er habe den Gemeinderats lediglich im Rahmen seines Rederechts und vor allem in Hinblick auf die Motivation für sein Fehlen an der Sitzung kritisieren wollen.
Die Klage des betroffenen Gemeinderats hatte bereits aus formalen Gründen weitgehend Erfolg. Das Gericht war der Auffassung, es fehle dem Bürgermeister an einer Rechtsgrundlage für seine Rüge. Für derartige Maßnahmen sei ausschließlich das Gemeinderatsgremium zuständig, das aber keinen derartigen Beschluss über eine Ordnungsmaßnahme gefasst habe. Es sei auch von einer förmlichen Rüge auszugehen, da dieses Wort, vor allem in der gesprochenen Sprache, einen förmlichen und offiziellen Charakter habe und einen aus ernstem Anlass in entschiedener Form vorgebrachten Tadel darstelle. Das habe das betroffene Gemeinderatsmitglied als Adressat der Rüge auch so aufgefasst. Auch der Hinweis auf die Sanktionsmöglichkeiten der Gemeindeordnung durch den Bürgermeister ändere daran nichts, da diese - über die bloße Rüge hinaus - weitere Ordnungsmaßnahmen ermögliche und ausdrücklich die Auferlegung eines Ordnungsgeldes erwähne. (Mo)