Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Sigmaringen hat mit Urteil vom 15.05.2025 die Anordnung zur Sanierung einer schädlichen Bodenveränderung sowie einer durch diese versursachten Grundwasserverunreinigung mit per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) des Landratsamts Sigmaringen vom 12.08.2020 gegenüber der Shredderwerk Herbertingen GmbH aufgehoben (5 K 1737/22). Nunmehr liegen die Urteilsgründe vor.
Nach umfassenden Erkundungs- und Untersuchungsmaßnahmen verpflichtete das Landratsamt Sigmaringen am 12.08.2020 die Klägerin mit einer Sanierungsanordnung zur Umsetzung eines Sanierungsplans, um den Grundwasserschaden zu beseitigen, der nach einem Feuerwehreinsatz infolge eines Brandes im Sommer 2007 auf dem Gelände des Unternehmens entstanden ist. Durch den Einbau einer Dichtwand bis in ca. 11 m Tiefe sollte auf dem Betriebsareal Grundwasser aufgestaut werden; zusätzlich sollten mehrere Brunnen und eine Grundwasserreinigungsanlage errichtet werden, die über mehrere Jahre den Schadensbereich reinigen sollte (zum Sachverhalt siehe Pressemitteilung vom 12.05.2025).
Zur Begründung der Aufhebung der Sanierungsanordnung führt die Kammer an, dass zwar in Teilen durchaus Verursachungsbeiträge der Klägerin festzustellen seien. So sei davon auszugehen, dass die Schrotthalde im Bereich der Brandentstehung damals etwa 12 m hoch gewesen sei, obwohl die Betriebsgenehmigung in einer Nebenbestimmung eine Höhenbegrenzung auf 8 m vorgegeben habe; dies habe auch mit dazu beigetragen, dass die Brandbekämpfung erschwert gewesen sei. Die übrigen Vorwürfe der Behörden hätten sich aber im gerichtlichen Verfahren nicht bestätigen lassen. Insbesondere könne der Klägerin nicht zur Last gelegt werden, sie habe sich nicht an weitere Vorgaben der Betriebsgenehmigung zur Lagerfläche und zum Lagervolumen gehalten, zumal die Genehmigung in dieser Hinsicht kaum hinreichend bestimmt genug sei. Ohnehin hätte primär die horizontale Ausdehnung der Halde in Verbindung mit dem Umstand, dass die Halde nach dem zugrunde liegenden Brandschutzkonzept nicht durch Brandgassen geteilt gewesen sei, die Brandbekämpfung erschwert. Auch könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden, sie habe den Brand mit verursacht, weil sie bei der Warenannahme nicht sorgfältig genug brennbares bzw. entzündliches Material aussortiert habe. Auch wenn sich in dem Eisenbahnwagon, der zum Zeitpunkt der Brandentstehung entladen worden sei, u.a. nicht gänzlich restentleerte Spraydosen befunden hätten, lasse sich die konkrete Brandentstehung nicht mehr aufklären. Jedenfalls habe das Landratsamt auch nicht dargelegt, inwiefern die Annahmekontrollen der Klägerin damals tatsächlich unzureichend gewesen sein sollten. Es sei nicht konkret nachgewiesen, dass die notwendigen Stichproben und Sichtkontrollen bei der Annahme nicht hinreichend sorgfältig stattgefunden hätten. Im Übrigen habe das Landratsamt auch eine Inanspruchnahme des Anlieferunternehmens nicht ausreichend in Betracht gezogen.
Der Vorwurf, die Klägerin habe das Leitungsnetz ihres Löschwasserrückhaltesystems nicht ausreichend kontrolliert, weshalb es zu Schadstoffeintrag durch Undichtigkeiten gekommen sei, lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht aufrechterhalten. Ein hierzu eingeholtes Sachverständigengutachten habe vielmehr ergeben, dass die Dichtheitsprüfung – wäre sie fristgerecht vor dem Brand durchgeführt worden – keinen kurzfristigen Instandsetzungsbedarf ergeben hätte; gemessen an den einschlägigen Vorgaben für Bestandsleitungen sei die Löschwasserrückhaltung „dicht genug“ gewesen, eine absolute Dichtheit der Leitungen sei nicht gefordert. Die identifizierten schadhaften Stellen des Leitungsnetzes könnten auch nicht der wesentliche Eintragsweg für die PFC-Schadstoffe gewesen sein. Objektiv stehe v.a. Schadstoffeintrag über unbefestigte (Grün-)Flächen fest, auch wenn es unter Umständen weitere (bislang nicht gefundene) Eintragswege gegeben haben müsse.
Demgegenüber hat die Kammer auf der Grundlage von Zeugenvernehmungen und einer Sachverständigenbegutachtung gravierende Fehlentscheidungen der Einsatzleitung der Feuerwehr festgestellt, die eine Inanspruchnahme der Klägerin als sog. Verhaltensstörerin ausschließen. Diese Fehlentscheidungen seien unmittelbar für den Umweltschaden verantwortlich. Insbesondere die am Abend des ersten Brandtags getroffene Entscheidung zu einem massiven Schaumangriff hätte aus der damaligen Perspektive der Einsatzleitung nicht getroffen werden dürfen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Einsatzleitung – trotz zu diesem Zeitpunkt vergleichsweise stabiler Lage für die Produktionsanlagen und die Umgebung – zu einem Angriff auf den Brand mit Schaum übergegangen sei, obwohl der Brand damit nicht zu löschen gewesen sei. Die hierzu geltend gemachte Gefährdung durch die Rauchgaswolke habe tatsächlich objektiv zu keinem Zeitpunkt bestanden, was der Einsatzleitung durch die Rückmeldungen der hierzu durchgeführten Luftmessungen bekannt gewesen sei. Es hätten auch keinesfalls PFC-haltige Schaummittel eingesetzt werden dürfen, weil diese den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zufolge mit ihren speziellen Eigenschaften primär für die Bekämpfung von Flüssigkeitsbränden ausgerichtet, beim Brand einer solchen Schrotthalde aber ungeeignet seien. Es sei nicht möglich gewesen, einen stabilen Schaumteppich auf der glühenden Halde aufzubringen, der eine beachtliche Erstickungswirkung erreiche. Der Einsatz solchen Löschschaums in geringer Konzentration, als sog. Netzmittel, wäre ggf. zielführend gewesen, nicht aber mit der hier erfolgten Zumischungsrate. Insbesondere sei auch die verwendete Menge von ca. 120.000 Litern verwendetem Löschschaumkonzentrat unverhältnismäßig gewesen. Die Fehlerhaftigkeit der Einsatzentscheidungen der Führungskräfte ergebe sich weiterhin daraus, dass trotz der enormen Menge toxischen Löschschaumkonzentrats keine Sicherungsmaßnahmen ergriffen worden seien, um ein Einsickern des Löschwassers in Grünflächen und unversiegelte Flächen zu verhindern. Es sei für die Einsatzleitung im Voraus erkennbar gewesen (bzw. hätte es sein müssen), dass das Löschwasserrückhaltesystem die verwendeten Wassermengen nicht komplett habe auffangen können. Dass sich auf dem Betriebsgelände ein Löschwassersee gebildet habe, der ab- und übergelaufen sei, sei gerade nicht mehr Bestandteil einer planvollen Löschwasserrückhaltung gewesen, sondern habe deren Überforderung dokumentiert. Gleichwohl seien im Einsatz keine Sicherungsmaßnahmen erfolgt und auch im Nachgang zum Brandereignis seien die erkennbar belasteten Flächen nicht untersucht und saniert worden. Der Einsatzleitung habe die besondere Toxizität der verwendeten Schaummittelkonzentrate mit PFC bekannt sein müssen, auch wenn das (zwischenzeitlich verbotene) Schaummittel als solches zum Zeitpunkt des Brandes noch habe verwendet werden dürfen. Die damit einhergehenden Gefahren für Boden und Grundwasser seien nicht bzw. nicht mit dem gebotenen Gewicht berücksichtigt worden.
Dieses Fehlverhalten der Einsatzleitung der Feuerwehr sei unmittelbar für die Entstehung des Umweltschadens verantwortlich und so gewichtig, dass Mitverursachungsbeiträge der Klägerin im Vorfeld davon verdrängt würden. Jedenfalls sei die Inanspruchnahme der Klägerin auch ermessensfehlerhaft, weil das Landratsamt bis zuletzt eine Verantwortlichkeit der Feuerwehr verneint und den Rechtsträger der Einsatzleitung daher auch nicht als ggf. weiteren Störer in seine Entscheidung mit einbezogen habe. Eine Haftung der Klägerin als Zustandsstörer scheide gleichermaßen aus, wobei eine solche nach Auffassung der Kammer ohnehin auch auf den Verkehrswert des Betriebsgrundstücks beschränkt wäre und daher die deutlich kostenaufwändigere Sanierung nicht hätte tragen können.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils kann die Zulassung der Berufung beantragt werden. (Was)