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Ummendorf: Bauplatzvergaberichtlinien waren rechtswidrig

Datum: 24.04.2020

Kurzbeschreibung: (Urteil vom 10.03.2020 - 3 K 3574/19 -) Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat mit Urteil vom 10.03.2020 festgestellt, dass die Bauplatzvergaberichtlinien der Gemeinde Ummendorf rechtswidrig waren und damit der Klage eines nicht für einen Bauplatz vorgesehenen Ehepaars größtenteils stattgegeben; dem Antrag auf (Verpflichtung zur) Neuentscheidung über die Bewerbung des Ehepaars wurde hingegen nicht entsprochen. Nunmehr liegen die Urteilsgründe vor.

(3 K 3574/19) Der Gemeinderat beschloss nach vier vorangehenden, nichtöffentlichen Sitzungen einstimmig in seiner öffentlichen Sitzung vom 24.09.2018 die in Streit stehenden Bauplatzvergaberichtlinien. Im Rahmen dieser Sitzung fand eine Erläuterung der Thematik und der Richtlinien durch den Bürgermeister sowie den Hauptamtsleiter der Beklagten statt. An sämtlichen Beratungen in den Sitzungen wirkte ein Gemeinderatsmitglied mit, welches sich kurz darauf auf einen Bauplatz in dem betroffenen Gebiet bewarb und später mit einer Bewertung von 70 Punkten auch einen Bauplatz erhielt. Ausweislich der Richtlinien sollte die Vergabe der Bauplätze anhand der Bedürftigkeit nach sozialen Kriterien und der Zeitdauer des Hauptwohnsitzes/des früheren Wohnsitzes bzw. des ehrenamtlichen Engagements der Bewerber erfolgen. Hierfür wurden Punkte nach einem festgelegten System vergeben. Der Gemeinderat hob die Bauplatzvergaberichtlinien am 04.11.2019 auf.

Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts kommt zunächst zu dem Ergebnis, dass es sich um eine Klage handelt, für die der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, da dem Vergabeverfahren und den sich daran anschließenden Abschlüssen von Kaufverträgen eine öffentlich-rechtliche Entscheidungsstufe vorgeschaltet war. Die öffentlich-rechtliche Eigenschaft dieser Entscheidungsstufe resultiere aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, da der Gemeinderat das Ziel verfolgt habe, im Interesse der Entwicklung der örtlichen Sozialstruktur auf die Vergabe der Bauplätze in dem künftigen Baugebiet einzuwirken. Weiter führt die Kammer aus, dass die Kläger trotz Aufhebung der Vergaberichtlinien ein Interesse daran haben, dass über die Rechtmäßigkeit der Vergaberichtlinien entschieden wird, da einerseits eine Wiederholungsgefahr insoweit besteht, als inhaltlich identische Vergaberichtlinien erlassen werden könnten, andererseits da nicht auszuschließen ist, dass die vorliegende Klage präjudiziell für einen etwaigen Staatshaftungsprozess sein könnte.

Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bauplatzvergaberichtlinien ist nach Ansicht des Gerichts in der Sache bereits deshalb erfolgreich, weil die Vergaberichtlinien in formeller Hinsicht rechtswidrig waren. Zum einen widerspreche die Tatsache, dass der Gemeinderat die Richtlinien in vier nichtöffentlichen Sitzungen erörtert und in anschließender öffentlicher Sitzung ohne größere Diskussion einstimmig verabschiedet habe, dem Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GemO). Zum anderen habe an sämtlichen Beratungen und der Entscheidung ein Gemeinderatsmitglied mitgewirkt, welches sich in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang auf einen Bauplatz in dem Gebiet beworben habe und anschließend auch zum Zuge gekommen sei. Der Beschluss des Gemeinderats sei wegen der aus dem Vorgenannten folgenden Befangenheit dieses Mitglieds rechtswidrig (§ 18 Abs. 1, 6 Satz 1 GemO).

Ergänzend führt die Kammer aus, dass auch in materieller Hinsicht Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Bauplatzvergaberichtlinien bestehen. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei zweifelhaft, ob sich ein Eingriff in die Grundfreiheiten des Unionsrechts überhaupt rechtfertigen lasse, wenn – wie hier wohl beabsichtigt – ein nichtsubventionierter Verkauf von Grundstücken erfolgen solle. Im vorliegenden Fall sei insbesondere auffällig, dass die Beklagte eine Verteilung und Punktegewichtung vorgenommen habe, die den früheren oder aktuellen Hauptwohnsitz in der Gemeinde im Vergleich zu den sozialen Kriterien derart hoch gewichte, dass Folge hiervon sein dürfte, dass außenstehenden Bewerbern (darunter selbstverständlich auch Unionsbürger) ohne bisherigen Bezug zu der Gemeinde kaum eine realistische Chance auf einen Bauplatz verbleibe. Dies sei sowohl aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs als auch vor dem Hintergrund des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Diskriminierungsverbots sehr fragwürdig.

Der weitere Antrag auf (Verpflichtung zur) Neuentscheidung über die Bewerbung (im bisherigen Vergabeverfahren) ist – so die Kammer weiter – bereits unzulässig, da die Bauplatzvergaberichtlinien aufgehoben wurden.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Na)

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