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Schriftliche Urteilsgründe im Rechtsstreit über die Bauplatzvergabe im Öpfinger Baugebiet „Halde“ liegen vor

Datum: 27.02.2023

Kurzbeschreibung: 

(7 K 98/21) Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts hat mit ihrem auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2022 ergangenen Urteil festgestellt, dass das auf den Gemeinderatsbeschlüssen der Gemeinde Öpfingen vom 26.5.2020 und 30.6.2020 beruhende Verfahren zur Vergabe der Bauplätze im Baugebiet „Halde“ rechtswidrig war. Soweit die Kläger eine neue Entscheidung über die Vergabe der Bauplätze begehrt hatten, blieben die Klagen ohne Erfolg, weil die Bauplatzvergaberichtlinie der Gemeinde zwischenzeitlich von ihr selbst aufgehoben worden war. Jetzt liegen die knapp 70 Seiten umfassenden schriftlichen Urteilsgründe vor.

Die Kläger hatten sich im September 2020 erfolglos um die Vergabe eines der 24 im Baugebiet „Halde“ zum Verkauf vorgesehenen, im Eigentum der beklagten Gemeinde stehenden Baugrundstücke beworben. Die vom Gemeinderat im Sommer 2020 beschlossene Bauplatzvergaberichtlinie enthielt u.a. Regelungen für das Vergabeverfahren und den Bewerbungsprozess; vorgesehen war ein Verkauf der Baugrundstücke zu Marktpreisen. Kernstück der Richtlinie war ein detailliertes Punktesystem, das ortsbezogene (etwa aktuelle und ehemalige Wohnsitze, Berufstätigkeit und ehrenamtliches Engagement der Bewerber) und soziale Kriterien (Familienstand, Anzahl der Kinder, Pflege von Angehörigen und Behinderung) definierte, diesen bestimmte Punktwerte zuordnete und eine Korrektur anhand der Eigentumsverhältnisse der Bewerber ermöglichte (negative Punktwerte etwa bei bestehendem Eigentum an Wohngrundstücken). Mit auf einen Eilantrag der Kläger ergangener einstweiliger Anordnung vom 28.10.2020 (7 K 3840/20) untersagte das Verwaltungsgericht die Vergabe von Bauplätzen und den Abschluss entsprechender notarieller Kaufverträge auf Grundlage der Bauplatzvergaberichtlinie (vgl. dazu die ausführliche Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 21.1.2021). In Reaktion auf den Gerichtsbeschluss hob der Gemeinderat seine die Vergaberichtlinie betreffenden Beschlüsse am 2.2.2021 auf. Im Klageverfahren stand einerseits im Streit, ob die Aufhebung der Richtlinie wirksam erfolgt ist und andererseits, ob ihre Rechtswidrigkeit gleichwohl wegen eines berechtigten Interesses der Kläger (Wiederholungsgefahr) festgestellt werden kann. Beides hat die Kammer bejaht. 

Das Gericht hat zur Begründung des Urteils u.a. Folgendes ausgeführt: Das Vergabeverfahren sei rechtswidrig gewesen, weil die Bauplatzvergaberichtlinie mehrere zu ihrer Gesamtunwirksamkeit führende Rechtsfehler aufgewiesen habe. Das von der Gemeinde gewählte Konzept zur Bevorzugung von Bewerbern mit Ortsbezug („Einheimischenmodell“) habe in seiner konkreten Ausgestaltung gegen Europarecht verstoßen. Zwar sei das zugrundeliegende Ziel, Personen mit Bezug zur Gemeinde den Erwerb von Baugrundstücken zu erleichtern, im Ausgangspunkt rechtlich nicht zu beanstanden. Es habe jedoch an einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden und den durch das Europarecht geschützten Interessen auswärtiger Bewerber angemessen Rechnung tragenden Ausgestaltung gefehlt. Insbesondere sei das Kriterium eines „ehemaligen Hauptwohnsitzes“ unter Berücksichtigung eines Zeitraums von bis zu 20 Jahren rechtswidrig gewesen. Denn der Ortsbezug, auf dem die gewünschte Bevorzugung einheimischer Bewerber beruhe, sei bei derart weit zurückliegenden Wohnsitzen weitgehend gelöst und vermöge die Einschränkung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten daher nicht mehr zu rechtfertigen. Unabhängig hiervon sei auch die in der Richtlinie vorgesehene technische Abwicklung des Bewerbungsverfahrens ausschließlich über eine gemeindefremde Internetseite rechtlich unzulässig gewesen. Es habe nämlich die Gefahr bestanden, dass sich potenzielle Bewerber von der Teilnahme am Vergabeverfahren abhalten ließen, weil sie die Übermittlung sensibler personenbezogener Daten (etwa Informationen über eine Schwangerschaft oder Behinderung) an einen privaten Dienstleister gescheut hätten. Weitere in der Vergaberichtlinie vorgesehene Kriterien seien, etwa wegen ihrer Mehrdeutigkeit, mit dem im Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) wurzelnden Transparenzgebot unvereinbar gewesen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils kann die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg eingelegt werden. (th)

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