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Kein Nachtermin in Mathematik für von Verfahrensfehler nicht betroffene Prüflinge im Abitur 2005
Datum: 03.05.2005
Kurzbeschreibung: (Beschluss vom 2. Mai 2005 - 4 K 720/05) Am 6.4.2005 fand in Baden-Württemberg der Termin für die schriftliche Abiturprüfung im Fach Mathematik statt.
Dabei wurden an mehreren Gymnasien die Aufgaben des Wahlteils erst nach Abgabe der bearbeiteten Aufgaben des Pflichtteils ausgeteilt. Bei korrekter Handhabung wären den Prüflingen alle Aufgaben zu Beginn der Prüfung ausgehändigt worden: die Aufgaben des Pflichtteils, die Wahlteil-Aufgabe aus dem Bereich Analysis und die Wahlteil-Aufgabe aus dem Bereich Analytische Geometrie. Das Kultusministerium kam zum Ergebnis, dass ein Verfahrensfehler gegeben sei, der Auswirkungen auf das Ergebnis der Prüfung haben könne. Bei Kenntnis aller Aufgaben von Beginn der Prüfung an könne sich der Prüfling unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse für individuelle Bearbeitungsschwerpunkte entscheiden. Das Ministerium ordnete an, die betroffenen Schüler könnten an einem Nachtermin am 3.5.2005 mit der Maßgabe teilnehmen, dass das bessere Ergebnis von Haupt- und Nachtermin gewertet werde. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin als Abiturientin einer Schule, an der die Aufgaben ordnungsgemäß ausgeteilt wurden. Der Umstand - so ihr Vortrag - dass von den zwei Prüfungsversuchen die bessere Note gelten solle, stelle eine gravierende Ungleichbehandlung dar. Es sei zu befürchten, dass in Zukunft bewusst Verfahrensfehler zur Erlangung einer zweiten Prüfungschance für die Prüflinge einer Schule begangen würden. Zur Kompensation des durch das gewählte Verfahren verursachten Ungleichgewichts sei auch der Antragstellerin die Teilnahme an dem Nachschreibtermin zu gestatten.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung blieb ohne Erfolg. Zwar sei, so das Gericht, angesichts des Fehlers bei der Ausgabe der Arbeiten ein Nachtermin geboten und verletze das für den Nachtermin vorgesehene Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit den prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit. Die Absicht, die bessere der beiden Arbeiten zu berücksichtigen, führe zu einer überschießenden Kompensation. Die betroffenen Schüler erhielten bezüglich der schriftlichen Mathematik-Abiturarbeit zwei Prüfungschancen eingeräumt. Sie stellten sich damit erheblich besser, als die durch den Verfahrensfehler nicht betroffenen anderen Prüflinge. Das vorgesehene Verfahren tangiere jedoch die ordnungsgemäße Feststellung und Bewertung der Prüfungsleistungen der Antragstellerin nicht und habe daher keine unmittelbare Auswirkung auf ihre Rechtsposition. Sie könne nicht rügen, andere Prüflinge hätten Vorteile gehabt, die ihnen nicht hätten gewährt werden dürfen, und nicht verlangen, dass Fehler in der Durchführung des Prüfungsverfahrens bei anderen Kandidaten ihrer Prüfungsgruppe auch ihr zugute kommen. Der allein vorgesehene Individualrechtsschutz könne nur gewährt werden, wenn sich die Begünstigung der anderen Prüflinge zugleich als rechtswidrige und unmittelbare Beeinträchtigung auswirke. Dies sei aber nicht zu erkennen. Dabei gehe das Gericht mit den Beteiligten davon aus, dass die Messung und Bewertung der Leistungen der Antragstellerin ordnungsgemäß erfolgt und daher rechtlich nicht zu beanstanden seien. Im übrigen obliege zuvörderst den Lehrern die Sorge um die Einhaltung und Wahrung der Chancengleichheit im Abitur. Deshalb sei der Einwand, es bestehe die Gefahr, die Lehrer an den Gymnasien könnten Verfahrensfehler absichtlich herbeiführen, um den Prüflingen aus ihren Schulen bessere Prüfungschancen zu verschaffen, nicht nachvollziehbar. (Bi)