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Ausstellung "Spiegel der Gesellschaft - die Verwaltungsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg nach 1945" im Staatsarchiv Sigmaringen/ Vortrag von Univ. Prof. Dr. Karl-Hermann Kästner über das Thema "Das Kopftuch in der Schule" - Grenzen individueller Religion
Datum: 11.02.2004
Kurzbeschreibung: Damit sich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt und der Region ein Bild über die Arbeit des am 1. April seit 45 Jahren in Sigmaringen ansässigen Verwaltungsgerichts machen können, präsentiert das Gericht zusammen mit dem Staatsarchiv Sigmaringen eine zeitgeschichtliche Dokumentation über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Südwestdeutschland von 1946 bis heute.
Unter dem Titel „Spiegel der Gesellschaft - die Verwaltungsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg nach 1945“ behandelt die Ausstellung in Wort und Bild exemplarisch Prozessgegenstände vor den Verwaltungsgerichten des Landes. Die Prozesse, die bei den seit 1946 auf dem Boden des Landes Baden-Württemberg wieder eingeführten Verwaltungsgerichten geführt wurden, zeigen dem Besucher, welche Probleme sich im letzten halben Jahrhundert für Gesellschaft und Staat gestellt und damit die Menschen bewegt haben. Sie bieten einen Einblick in die Geschichte und Kultur unserer Zeit und die Entscheidungen zeigen vor allem auch den Wandel der Zeit, der Menschen und ihrer Anschauungen.
Bis in die 60er Jahre hinein beherrschten Verfahren aus den Folgen des Krieges den Geschäftsanfall der Gerichte. Zunächst waren es Streitsachen, die sich aus der Wohnungsnot, etwa durch die Beschlagnahme von Wohnungen für Flüchtlinge und Vertriebene, ergaben. Hinzu kamen Streitigkeiten aus dem Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht und lange auch aus dem Lastenausgleichsrecht. Schon ab Ende der 40er Jahre gab es aber immer wieder Streitigkeiten wegen der Veränderung gesellschaftlicher Anschauungen, insbesondere zu Sitte und Moral. So greift die Ausstellung u. a. eine Entscheidung aus dem Jahre 1949 auf, in der die Aufhebung des behördlichen Verbots der Durchführung von Damenringkämpfen mit geänderten gesellschaftlichen Anschauungen begründet wird. Dokumentiert sind etwa auch Verfahren um die Frage der Sittenwidrigkeit von Peep-Shows oder die gesellschaftliche Akzeptanz von Ohrschmuck bei uniformierten Beamten. Wer sich noch an die Studentenbewegung Ende der 60er Jahre und ihre gesellschaftlichen Hintergründe, das SDS-Verbot, den Radikalenerlass und seine Folgen oder den Beginn der Antiatomkraftbewegung erinnert, kann sich diese Thematik über Prozessberichte wieder in Erinnerung rufen. Für diejenigen, die diese Zeiten noch nicht bewusst erlebt haben, ergibt sich ein Interessanter geschichtlicher Überblick über die jüngste Vergangenheit. Bildtafeln und historische Presseberichte bringen dem Betrachter die Zeit, in der die Prozesse geführt wurden, näher. Das Staatsarchiv zeigt aus seinen Beständen ergänzend eine kleine Auswahl von Originaldokumenten zum Thema. Außerdem besteht Gelegenheit, in einer Computer-Präsentation das Verwaltungsgericht Sigmaringen näher kennen zu lernen und dabei Einblicke in die aktuellen Arbeitsverhältnisse der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu gewinnen.
Den Initiatoren und Gestaltern der Ausstellung, allesamt als Richterinnen und Richter oder Beamte und Mitarbeiter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit tätig, war es wichtig, zu zeigen, inwieweit die Verwaltungsgerichte als unabhängige dritte Gewalt im Staat als für die Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Staat zuständige Gerichtsbarkeit einen Beitrag für das Gemeinwohl und das Gemeinwesen, für Bürgerinnen und Bürger sowie für die rechtsstaatliche Entwicklung im Land geleistet hat und leistet.
Ergänzt wird die Thematik der Ausstellung durch einen Abendvortrag am Mittwoch, 03. März 2004, 20.00 Uhr von Universitätsprofessor Dr. Karl-Hermann Kästner über das Thema „Das Kopftuch in der Schule“ - Grenzen individueller Religionsausübung im öffentlichen Leben. Auch hierzu sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Der Vortrag findet im Spiegelsaal des Staatsarchivs statt.
Die Ausstellung im Staatsarchiv Sigmaringen ist vom 11. Februar bis 8. April 2004 - Dienstag bis Freitag - von 9:00 bis 16:00 geöffnet. Für Gruppen werden Führungen nach telefonischer Vereinbarung (07571/104624) angeboten. (Bi)