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Das Verwaltungsgericht Sigmaringen auf dem Prüfstand der Prozessbeteiligten

Datum: 24.04.2006

Kurzbeschreibung: Zur Sicherung und Verbesserung der Qualität seiner Arbeit hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen im Spätsommer letzten Jahres eine Befragung unter Prozessbeteiligten durchgeführt. 160 Rechtsanwälte und 180 Behördenvertreter wurden um eine Bewertung der richterlichen Arbeit, der Tätigkeit des nichtrichterlichen Personals und der Ausstattung des Gerichts gebeten. Geantwortet haben 70 Anwälte und 132 Behördenvertreter (58,72 % der Befragten) auf 40 Fragen. Eine Qualitätskommission aus richterlichem und nichtrichterlichen Personal hat jetzt die Auswertung abgeschlossen.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Serviceeinheiten, die die Richterinnen und Richter bei ihrer Arbeit unterstützen, Auskünfte erteilen oder die Korrespondenz erledigen, erhielten von den Rechtsanwälten die Note 1,93, von den Behördenvertretern die Note 2,05 (Notenskala von sehr gut [1,0] bis mangelhaft [5,0]). Fragen nach Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Erreichbarkeit fachlicher Kompetenz und Verständlichkeit der Auskünfte wurden durchweg mit einer Eins vor dem Komma bewertet.

Die Gesamtbewertung der richterlichen Arbeit durch die Anwälte liegt bei der Note 2,08 bzw. bei 2,03 durch die Behörden. Das Kerngeschäft der Richterschaft, nämlich einerseits die Verhandlungsführung und andererseits die richterlichen Entscheidungen, wurde von den Anwälten mit 1,95, von den Behörden mit 1,91 bzw. mit 2,21 (Rechtsanwälte) und 2,07 (Behörden) recht positiv beurteilt. Allerdings bewegen sich die Äußerungen zur Verhandlungsführung in einem breiten Spektrum von „äußerst sachgerecht“, „kompetent“ „und vor allem auch als verständnisvoll“ bis hin zu „manchmal unhöflich und barsch gegenüber den Behördenvertretern“.

Sowohl im richterlichen als auch im nichtrichterlichen Tätigkeitsbereich umfasste die geäußerte Kritik insbesondere die Verfahrensdauer. Nicht nur die Urteile, Beschlüsse und Entscheidungen der Richter über Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, sondern auch die Entscheidungen der Urkundsbeamten über die Festsetzung der den Beteiligten entstandenen und zu erstattenden Kosten dauern den Beteiligten zu lang. Hier sind natürlich Überlegungen zur Abhilfe im Gange. Beschleunigungsmöglichkeiten sind aber nicht zuletzt auch von der Personalausstattung abhängig. Ein gewisses Maß an Besserung ist durch die rückläufige Anzahl von neu eingegangenen Verfahren zu erwarten. Abzuwarten bleibt, ob auch die Anregung der Befragten, Entscheidungen kürzer abzufassen, von den Richtern aufgenommen wird. Hier ist die richterliche Unabhängigkeit betroffen. Immerhin wurde die Verständlichkeit der Entscheidungen von den Anwälten mit 1,93, von den Behörden mit 2,05 bewertet, die Überzeugungskraft mit 2,31 von den Anwälten, die wie die Richter alle Volljuristen sind, mit 2,16 durch die Behörden.

Erstaunt haben die durchaus differenzierten Einschätzungen der Prozessbeteiligten zu denselben Gegebenheiten, etwa dazu, ein Verfahren einvernehmlich durch Vergleich zu beenden: Die einen regen an, seitens des Gerichts gütliche Einigungen noch öfters zu versuchen, anderen ist das Bemühen um eine gütliche Einigung sogar etwas zu stark ausgeprägt.

Auch zu den räumlichen Verhältnissen wurden die Beteiligten nach ihrer Meinung befragt. Vor allem der Wartebereich erschien den Beteiligten verbesserungsbedürftig.

Das Fazit ist ausgesprochen positiv: Wenn jedenfalls die Kontakte zu den einzelnen Vertretern des Gerichts „als sehr positiv bezeichnet“,  „die menschliche Atmosphäre als äußerst angenehm“ und „großes Lob“ ausgesprochen wird mit dem ergänzenden Hinweis  „dies haben sicherlich nur wenige Gerichte verdient" spricht das für sich. Dennoch wird natürlich die auch geäußerte Kritik zum Anlass genommen, soweit als möglich Abhilfe zu schaffen.

Das Verwaltungsgericht Sigmaringen ist für Streitigkeiten der Bürger u.a. mit Bund, Land und Kommunen für den gesamten Regierungsbezirk Tübingen mit seinen acht Landkreisen und dem Stadtkreis Ulm mit rund 1,8 Millionen Einwohnern zuständig. Derzeit arbeiten 50 Personen ständig beim Gericht, davon 27 Richterinnen und Richter. Zusätzlich waren im Jahr 2005 52 Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare mit insgesamt 130 Ausbildungsmonaten zur Ausbildung zugewiesenen. Ferner bietet das Gericht Studentinnen und Studenten der Rechtswissenschaft die Möglichkeit zur Ableistung ihrer praktischen Studienzeit und nimmt Schülerinnen und Schüler im Rahmen der beruflichen Orientierung am Gymnasium (BOGY) auf. Immer wieder besuchen Schulklassen mündliche Verhandlungen und werden von den Richtern dabei in die Materie eingeführt. Auch darüber hinaus waren und sind die Richter als Leiter von Arbeitsgemeinschaften für die Rechtsreferendare tätig, bieten ein Fallrepetitorium an der Universität Tübingen über aktuelle Fälle an und engagieren sich als Prüfer in den juristischen Examina.

Von Anfang November 2004 bis Ende März 2005 war das Verwaltungsgericht Sigmaringen als eines von bundesweit acht Verwaltungsgerichten an der Datenerhebung für das in ganz Deutschland durchgeführte Personalbedarfsberechnungssystem für alle Berufsgruppen des richterlichen und nichtrichterlichen Dienstes in den Fachgerichten (PEBB§Y) als "Erhebungsgericht" beteiligt. Sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeichneten den zeitlichen Aufwand für jede einzelne Tätigkeit bzw. jedes einzelne Rechtsgebiet minutengenau auf. Diese Untersuchung dient der Feststellung einer bundeseinheitlichen durchschnittlichen Bearbeitungszeit pro Verfahren eines bestimmten Verfahrenstyps. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit bildet wiederum die Grundlage für die Berechnung von Bearbeitungspensen. Zentrales Ziel der Untersuchung war es, statistisch valide Daten für die Personalbedarfsberechnung zu ermitteln, um das Personal effektiv einsetzen zu können.

 

Im Jahr 2005 sind beim Verwaltungsgericht insgesamt 18% weniger Verfahren  als im Jahr 2004 anhängig geworden, die Asylverfahren waren sogar noch stärker rückläufig. Ein wesentlicher Grund für den Rückgang liegt in der Verlagerung der Zuständigkeit für Angelegenheiten der Sozialhilfe auf die Sozialgerichte durch den Bundesgesetzgeber. Deswegen wechselten zum Jahresbeginn 2005 zwei Richterinnen in die Sozialgerichtsbarkeit, zwei durch Fluktuation freigewordene Richterstellen konnten aus demselben Grund nicht mehr besetzt werden. Ende 2005 waren die Richterstellen gegenüber dem Vorjahr letztlich um drei reduziert. Auch der nichtrichterliche Bereich war betroffen. Hier verringerte sich der Personalbestand um 1,5 Stellen. Durch die gleichwohl hohe Anzahl erledigter Fälle, die die Eingänge um 850 überstieg, verringerte sich der Bestand um 27 % auf 2307 Verfahren zum Jahresende 2005.

Die Laufzeiten in Klageverfahren erstrecken sich im Durchschnitt derzeit auf 10, 3 Monate, in Eilverfahren auf 1,9 Monate. 10,7 % der Klageverfahren insgesamt waren ganz oder teilweise erfolgreich (im Asylbereich 15,6 %). In Eilverfahren hatten 18,1 % der Anträge ganz oder teilweise Erfolg (im Asylbereich 25,4 %). Aufgrund des deutlich geringeren Bestands dürfte - sofern nicht weitere Personalstellen abgezogen werden - mit einer Verkürzung der Verfahrensdauer, also auch der Wartezeit auf eine gerichtliche Entscheidung, zu rechnen sein. Damit könnte einem wesentlichen Anliegen der Verfahrensbeteiligten Rechnung getragen werden. Bi

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