Verwaltungsgericht hebt Baugenehmigung zur Nutzungserweiterung des Dorfgemeinschaftshauses
Haigerloch-Bad Imnau an Sonn- und Feiertagen auf
Mit Urteilen vom 17. Dezember 2024 (10 K 3328/24 und 10 K 3329/24) hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Sigmaringen den Klagen zweier Anwohnerfamilien gegen die zeitliche Erweiterung der Nutzung des Dorfgemeinschaftshauses im Haigerlocher Teilort Bad Imnau auf Sonn- und Feiertage stattgegeben und damit die vom Landratsamt Zollernalbkreis erteilte Baugenehmigung aufgehoben.
Die Kläger sind Anwohner der früheren Grundschule Bad Imnau. Seit der Umnutzung des Gebäudes zu einem Dorfgemeinschaftshaus bzw. Bürgerzentrum im Jahr 2016 kam es hinsichtlich der Nutzungszeiten wochentags und den damit verbundenen Lärmauswirkungen für die Nachbarschaft wiederholt zu Konflikten zwischen Anwohnern und der Stadt Haigerloch.
Mit hier angegriffener Baugenehmigung beabsichtigte die beigeladene Stadt Haigerloch, die bisherige, bestandskräftig genehmigte Nutzung des Dorfgemeinschaftshauses an Werktagen auch auf Sonn- und Feiertage zu erstrecken. Dafür hatte die Stadt ein Lärmgutachten in Auftrag gegeben, welches auf der Grundlage der bisherigen Nutzung zu dem Ergebnis kam, dass unzumutbare Lärmauswirkungen für die Nachbarschaft nicht zu erwarten seien, sofern die Nutzungen insbesondere der lärmintensiven Musikproben rechtzeitig vor 22 Uhr abgeschlossen würden. Ausgehend hiervon regelte das Landratsamt in der Baugenehmigung, dass Nutzungen mit Musik nur mit geschlossenen oder gekippten Fenstern stattfinden dürften und dass die Nutzungszeiten des Gebäudes um einen realistischen Zeitraum für den An- und Abfahrtsverkehr der Besucher zu verkürzen seien, um sicherzustellen, dass der bei Veranstaltungen entstehende An- und Abfahrtsverkehr vor 22 Uhr endet.
Hiergegen wandten sich die Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren bereits im November 2021 an das Verwaltungsgericht Sigmaringen. Die Baugenehmigung sei – so ihr Klagevorbringen – inhaltlich zu unbestimmt und außerdem nachbarrechtswidrig, weil sie die lärmschutzrechtlichen Nutzungskonflikte nicht ausreichend bewältige.
Dieser Argumentation ist das Verwaltungsgericht – nachdem eine erste mündliche Verhandlung vor Ort im November 2023 stattgefunden hatte und die Beteiligten im Anschluss letztlich erfolglos eine außergerichtliche Streitbeilegung angestrebt hatten – im weiteren schriftlichen Verfahren nunmehr gefolgt. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Baugenehmigung in einer Art und Weise zu unbestimmt ist, die die Kläger in ihren Nachbarrechten verletzt. Eine Baugenehmigung muss die zulässigen Nutzungen so konkret bestimmen, dass für die von ihr Begünstigten wie auch für die drittbetroffenen Nachbarn klar ist, mit welchen Nutzungen zu rechnen ist und wie weit die diesbezüglichen Lärmbelastungen reichen. Diesen Anforderungen genügt die Genehmigung zur Nutzungserweiterung nicht, da sie die von ihr erfassten Nutzungen nicht verbindlich festlegt und es zudem in das Bewertungsermessen der Besucher/Nutzer des Dorfgemeinschaftshauses stellt, zu bestimmen, was „ein realistischer Zeitraum“ für den An- und Abfahrverkehr ist.
Die Baugenehmigung erweist sich darüber hinaus auch in inhaltlicher Hinsicht als rücksichtslos, weil sie Nutzungen ermöglicht, die für die umliegende Nachbarschaft unzumutbar sind. Insbesondere wurde vom Lärmgutachter der An- und Abfahrverkehr nicht in die Lärmprognose mit einberechnet. Angesichts des Umstands, dass in der Vergangenheit bereits die wochentags genehmigten Nutzungszeiten bis 22 Uhr nicht eingehalten wurden, liegt aus Sicht der Kammer der Schluss nahe, dass dies – zumal angesichts der mangelnden Bestimmtheit der Baugenehmigung – zukünftig auch an Sonn- und Feiertagen der Fall sein würde, woraus eine Verletzung der Kläger in ihren Nachbarrechten folgt.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das beklagte Land sowie die Stadt Haigerloch können gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragen. Hierüber müsste dann der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entscheiden (Le).