Eilverfahren gegen Streitgespräch des Tübinger Oberbürgermeisters mit dem Co-Vorsitzenden des AfD Landesverbands Baden-Württemberg erfolglos
Die beiden Eilanträge betreffend das Streitgespräch des Tübinger Oberbürgermeisters mit dem Co-Vorsitzenden des AfD Landesverbands Baden-Württemberg wurden mit Beschlüssen der 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 02.09.2025 abgelehnt (8 K 3227/25 und 8 K 3270/25). Die Veranstaltung kann daher wie geplant durchgeführt werden.
Der in Tübingen wohnhaften Antragstellerin des Verfahrens 8 K 3227/25, die vor allem die Einhaltung der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb begehrte, komme ein solcher Anspruch nicht zu. § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG räume allenfalls einer Partei, nicht aber einem Parteimitglied wie der Antragstellerin einen entsprechenden Anspruch zu. Unabhängig davon sei eine Verletzung der Neutralitätspflicht des Oberbürgermeisters im Landtagswahlkampf zu Lasten einer politischen Partei hier nicht ohne Weiteres ersichtlich. Dies liege vor allem auch daran, dass die Veranstaltung nicht in dem besonders sensiblen Zeitraum von etwa fünf bis sechs Monaten vor einer Wahl stattfinde und die Stadt Tübingen zudem erklärt habe, eine vergleichbare Veranstaltung mit anderen im Gemeinderat, Landtag oder Bundestag vertretenen Parteien auf deren Wunsch hin ebenfalls durchzuführen. Daran werde sie sich gegebenenfalls messen lassen müssen.
Soweit die Antragstellerin zudem mit ihrem Hilfsantrag Zutritt zu der am 5. September 2025 stattfindenden Veranstaltung begehre, stehe ihr dieser Anspruch ebenfalls nicht zu. Auch habe sie keinen Anspruch darauf, dass die Modalitäten der Veranstaltung (Übertragung der Veranstaltung per Livestream, Kontingent der Sitzplätze für die AfD sowie Fragestellungen im „Los-Box-Verfahren“) geändert und dafür direkte Fragen aus dem Publikum ermöglicht würden.
Die im Ermessen der Stadt Tübingen stehende Vergabe der Sitzplätze für die Veranstaltung nach dem Prioritätsprinzip an ihre Einwohner sei nicht zu beanstanden. Den Einwohnern sei unter gleichen Bedingungen ermöglicht worden, Zutritt zu der Veranstaltung zu erhalten. Nicht zu beanstanden sei ferner, dass die Stadt Tübingen Kontingente (100 Plätze für die AfD, 50 Plätze für die Gäste des Oberbürgermeisters, 30 Plätze für die Presse, drei Plätze für die Mitarbeiter der städtischen Pressestelle, vier Plätze für das Organisations-Team und acht Plätze für Mitarbeiter für Ton und Technik) reserviert habe.
Nachdem der Oberbürgermeister Teilnehmer der Veranstaltung sei, dürfte es nicht zu beanstanden sein, wenn ihm ein Kontingent von 50 Plätzen für seine Gäste zur Verfügung stehe. Aufgrund des öffentlichen und medialen Interesses an der Veranstaltung dürfte es auch nicht ermessensfehlerhaft sein, wenn drei Plätze für die Mitarbeiter der städtischen Pressestelle vorgesehen seien. Entsprechendes gelte für das Kontingent von 100 Plätzen für die AfD, da es sich um ein politisches Streitgespräch zwischen ihrem Oberbürgermeister und dem Kandidaten der AfD für das Amt des Ministerpräsidenten bei der Landtagswahl handele. Vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschützten Pressefreiheit sei es legitim, 30 Plätze für die Presse zur Verfügung zu stellen. Keine Bedenken bestünden letztlich insoweit, als vier Plätze für das Organisationsteam sowie acht Plätze für Mitarbeiter für Ton und Technik eingeplant seien. Denn schließlich verblieben - so die 8. Kammer weiter - immer noch 740 Plätze und damit eine weit überwiegende Anzahl für die Einwohner der Stadt. Dem Teil der Einwohnerschaft, der mangels Kapazität keinen direkten Zugang erhalte, werde die Möglichkeit eröffnet, die Veranstaltung über den geplanten Livestream zu verfolgen.
Dem außerhalb der Stadt Tübingen wohnenden Antragsteller des Verfahrens 8 K 3270/25 komme ein Anspruch auf Teilnahme an der Veranstaltung – sofern ein solcher mit dem Antrag zudem begehrt werde – ebenfalls nicht zu. Es sei insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Stadt Tübingen in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens die Veranstaltung auf ihre Einwohner begrenzt habe. Zur Begründung sei rechtsfehlerfrei angeführt worden, dass in der Veranstaltung von dem Oberbürgermeister Themen gesetzt würden, die die Stadt und nicht die Landespolitik oder die Bundespolitik beträfen. Der Einwand des Antragstellers, als Einwohner des Landkreises Tübingen sei er von dem politischen Geschehen in der Kreisstadt unmittelbar betroffen, verfange nicht. Denn es handle sich bei dem Veranstaltungsort nicht um eine Einrichtung des Landkreises Tübingen, bei der ein entsprechender Zulassungsanspruch bestehen könnte.
Die Beschlüsse sind noch nicht rechtskräftig und können binnen zwei Wochen nach Zustellung an die Beteiligten mit der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim angefochten werden. (Was)