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Reutlingen: IHK-Grundbeitrag für 2016 nicht gesetzeskonform - Ausgleichsrücklage der IHK im Wirtschaftsplan 2016 rechtswidrig
Datum: 07.08.2019
Kurzbeschreibung:
Die Klägerin ist Kammermitglied der beklagten IHK und unterliegt der Beitragspflicht. Die Höhe des Grundbeitrags wird in einer Wirtschaftssatzung durch die Vollversammlung festgelegt. Die Klägerin ist der Auffassung, das bei einer Eigenkapitalquote von über 70 % überhöhte Vermögen und hoher liquider Mittel müsse vorrangig zur Deckung der Aufwendungen der Kammer verwendet werden. Es sei u.a. bedenklich, den geplanten Neubau der IHK-Zentrale nicht aus Fremdmitteln zu finanzieren. Die Beklagte ist der Meinung, das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eingehalten zu haben. Es sei nicht in unzulässiger Weise Vermögen gebildet worden. Die gebildete Ausgleichsrücklage als Krisenvorsorge liege im Bereich des Beurteilungsspielraums nach dem Finanzstatut zwischen 25 % und 50 % der geplanten Aufwendungen. Der Vollversammlung habe eine Prognose der ermittelten Risiken vorgelegen.
Das Gericht gelangt zu der Auffassung, dass die Ausgleichsrücklage, gemessen an dem von der Beklagten
zu beachtenden Grundsatz der Haushaltswahrheit und dem darin zum Ausdruck kommenden Gebot der Schätzgenauigkeit, der Höhe nach
nicht in hinreichend nachvollziehbarer Weise begründet sei. Der mit der Bildung einer Ausgleichsrücklage verbundene Zweck, eine
Mittelreserve zum Ausgleich von Einnahmeverzögerungen und Einnahmeausfällen vorzuhalten, sei grundsätzlich ein sachlich
begründeter Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Rücklagen, mit denen ergebniswirksame Schwankungen ausgeglichen
werden sollen, müssten aber auf einer ordnungsgemäßen, für jedes Wirtschaftsjahr zu treffenden Risikoprognose beruhen,
bei der die Kammer den Grundsatz der Schätzgenauigkeit zu beachten habe. Die Höhe der Ausgleichsrücklage entspreche im
vorliegenden Fall nicht dem Gebot der Schätzgenauigkeit, da die von der Beklagten der Rücklagenbildung zugrunde gelegte und der
Vollversammlung vorgelegte Aufstellung über mögliche Risiken insgesamt keine hinreichend nachvollziehbare Risikoprognose
darstelle, sondern auf „gegriffenen“ Annahmen beruhe mit dem Ziel, die bisher bestehende Ausgleichsrücklage beizubehalten,
weil diese innerhalb des erwähnten Korridors von 25 bis 50 % lag. Die somit für das Haushaltsjahr 2016 beibehaltene
Ausgleichsrücklage stelle sich dementsprechend nicht als zweckgebundene Rücklage dar, so dass der Betrag der von ihr bilanziell
hinterlegten Aktiva nicht als zweckgebunden vorgehaltenes Vermögen, sondern vielmehr als allgemeine, nicht zweckbezogene Mittelreserve
erscheine, die die Beklagte im Wirtschaftsjahr 2016 entweder hätte umwidmen oder aber verbrauchen müssen.
Da sowohl die konkreten Anforderungen an die Risikoprognose bei Bildung einer Ausgleichsrücklage wie auch die Auswirkungen einer
rechtswidrigen Rücklagenbildung auf die Mittelbedarfsfeststellung in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht geklärt
seien, hat das Gericht die Berufung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache zugelassen. (Mo)