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Ulm-Jungingen: Bauplatzvergaberichtlinie ist voraussichtlich rechtswidrig

Datum: 10.03.2022

Kurzbeschreibung: PM: 10.03.2022

(Beschluss vom 03.03.2022 - 14 K 4018/21 -) Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat mit Beschluss vom 03.03.2022 eine einstweilige Anordnung erlassen, die es der Stadt Ulm untersagt, Bauplätze für das Baugebiet „Unter dem Hart, Teil 2“ zu vergeben, soweit einer solchen Vergabe die Leitlinie der Stadt Ulm für die Vergabe von Baugrundstücken für Eigenheime in der Fassung vom 23.06.2021 sowie die Beschlüsse vom 17.06.2021 („Reißverschluss-Regelung“) und 11.11.2021 („Ausschlussregelung“) zugrunde liegen. Den Anträgen der Antragsteller, die sich ebenfalls um einen Bauplatz im Baugebiet beworben hatten, wurde somit stattgegeben.

(14 K 4018/21) Die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts führt in ihrem Beschluss aus, dass die Antragsteller zwar keinen Anspruch darauf hätten, dass sie ein konkretes Grundstück erhielten, jedoch hätten sie ein Recht auf ermessensfehlerfreie Auswahl nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, das vorliegend verletzt sei. 

Die Vergaberichtlinie und die weiteren Beschlüsse verstößen nach summarischer Prüfung im Eilverfahren gegen die Gebote der Transparenz und der Sachgerechtigkeit bzw. Gleichbehandlung.  

Die von der Stadt am 17.06.2021 beschlossene sogenannte Reißverschluss-Regelung (Vergabe im Verhältnis 3:1 an „Familien mit Kindern“ und „Familien ohne Kinder") dürfte gegen das Gebot der Transparenz verstoßen, da sie wohl unvollständig und daher missverständlich bekannt gemacht worden sei und auch Bedenken hinsichtlich ihrer Bestimmtheit bestünden. Denn jedenfalls auf der Internetseite fehle es an der Erwähnung der „Bewerber ohne Kinder“, weshalb für einen Außenstehenden nicht in jedem Fall erkennbar sei, wie die Regelung ausgestaltet sei, da der Bezug von „Familien mit Kindern“ zu „Familien ohne Kinder“ nicht hergestellt werden könne. Dass sich auf der Internetplattform eines privaten Betreibers, dessen Hilfe sich die Stadt bedient habe, eine vollständige Angabe der Regelung, also auch des Bezugsverhältnisses, wiederfinde, heile den Fehler nicht.

 Bedenklich sei indes, dass die „Reißverschluss-Regelung“ neben der Vergabeleitlinie als Auswahlmittel aufgeführt werde, ohne dass auf ein etwaiges Rangverhältnis dieser Regelungen eingegangen werde. Es fehle eine klare Regelung, wie das Punktesystem des § 5 der Vergabeleitlinie und dieser neue Zuteilungsmodus der „Reißverschluss-Regelung“ in Einklang gebracht werden sollten. In der Vergabepraxis seien beispielsweise zwei Listen für die jeweilige Gruppe nach der Reißverschluss-Regelung erstellt worden, obwohl die Vergabrichtlinie nur eine Liste erwähne. Ebenfalls nicht hinreichend klar geregelt sei, was mit dem Begriff der „Kinder“ gemeint sei, ob gegebenenfalls allein minderjährige und haushaltsangehörige Kinder darunter zu verstehen seien. 

Der Ausschluss von Bewerbern, die bereits Wohneigentum in Form eines Gebäudes besitzen, dürfte ebenfalls gegen das Transparenzgebot verstoßen, da dieser erst erfolgt sei, als das Verfahren bereits in Gang gesetzt worden sei und die Vergabekriterien mithin nicht im Voraus bekannt gewesen seien. 

Im Weiteren führt die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Sigmaringen aus, dass einige Kriterien der Vergaberichtlinie sachlich nicht zu rechtfertigen sein dürften. § 2 Abs. 3 der Vergaberichtlinie ermögliche eine Abweichung von den Vergabekriterien im laufenden Verfahren und verstoße gegen die Anforderung, dass die Kriterien im Voraus bekannt sein müssten. 

Zu beanstanden sei, dass auch Personen ausgeschlossen seien (§ 5 Abs. 4 Satz 1 der Vergabeleitlinie), denen in der Vergangenheit ein Grundstück oder Eigenheim gehört habe, da dies nicht mit dem Zweck der Vergaberichtlinie übereinstimme, Personen zu Grundeigentum zu verhelfen, die solches noch nicht hätten. Die Wartezeit-Regelung sei ebenfalls nicht klar geregelt, da einerseits auf den Zeitpunkt der ersten Bewerbung abgestellt werde, andererseits auf den Eintrag in die außerhalb des Vergabeverfahrens geführte Vormerkliste. 

§ 5 Abs. 2 Ziff. IV der Vergabeleitlinie sei voraussichtlich ebenfalls rechtswidrig, da die Vergabe von bis zu 5 Punkten für ehrenamtliche Tätigkeit nicht erkennen lasse, nach welchen Kriterien der weite Spielraum von 0 bis 5 Punkten ausgefüllt werde. 

Die Regelung des § 5 Abs. 2 Ziff. V b) der Vergabeleitlinie (Ortsansässigkeit aufgrund 5jährigen Hauptwohnsitzes der Eltern) sei – so die 14. Kammer weiter – zu beanstanden, weil sie auch Personen erfasse, deren Eltern zwar ortsansässig seien, die aber selbst zu der Ortschaft keinerlei Bezug hätten, so dass dieser Regelung allenfalls der Zweck der Familienzusammenführung zugrunde liegen könne, welchen die Vergabeleitlinie aber wohl nicht vorsehe. Zudem würden solche Personen benachteiligt, die keine Eltern mehr hätten, was mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz problematisch erscheine. 

Zudem dürfte die Gewichtung der Kriterien der Ortsansässigkeit nicht hinreichend bestimmt sein und gegen das Transparenzgebot verstoßen, da der Wortlaut der Regelungen zwei unterschiedliche Berechnungsmethoden zulasse.  

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig und kann binnen zwei Wochen nach Zustellung an die Beteiligten mit der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim angefochten werden. (Na)

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